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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

"Momentum" - Nordische Cellokonzerte
New Music Orchestra - S. Bywalec; J. Kullberg (Cello)

(2012)
Aurora Music / Naxos

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Per Nørgård, Arne Nordheim & Kaija Saariaho - Cellokonzerte

Eine anspruchsvolle CD

von Rainer Aschemeier  •  12. September 2012
Katalog-Nr.: ACD5075 / EAN: 7044581350751

Eine mutige CD erschien unlängst beim norwegischen Label für Neue Musik: Aurora Music. Mutig ist sie deshalb, weil es sich bei ihr um eine Zusammenstellung von Cellokonzerten aus den letzten Jahren handelt, die allesamt als nicht leicht verdaulich charakterisiert werden können.
Die hier vorgestellten Konzerte von den Altveteranen der nordischen Komponistenelite, Per Nørgård und Arne Nordheim, sowie von der neben Einojuhani Rautavaara wohl prominentesten Stimme der finnischen Neuen Musik, nämlich Kaija Saariaho, sind in der Tat nichts für Leute, die mal locker-flockig in die Neue Musik-Szene hinein schnuppern wollen. Im Gegenteil: Diese drei Cellokonzerte haben hohen Anspruch und wenden sich an ein selbst anspruchsvolles Publikum.
Es ist kein Crowdpleaser dabei und auch kein „Lockvogel“, soll heißen: Hier wird einem nichts neumelodisches á la Arvo Pärt oder John Tavener als Aperitif serviert, damit man die nachfolgenden atonalen Stücke besser verdauen kann. Nein, hier geht’s gleich in die Vollen.

Per Nørgårds Cellokonzert Nr. 2 mit dem Untertitel „Momentum“ wurde 2009 geschrieben und ist dem auf der vorliegenden CD zu hörenden Solisten Jakob Kullberg gewidmet. Der dänische Komponist, der in der Vergangenheit vor allem mit seinen Versuchen von sich reden machte, bestimmte Phänomene aus dem Bereich der Mathematik auf kompositorische Prozesse zu übertragen, hat mit diesem Stück das wohl noch konservativste Stück auf dieser CD-Zusammenstellung vorgelegt. Es ist ein Cellokonzert, dem man anhört, dass Nørgård sich mit dem etwa zwanzig Minuten langen Stück in einer Tradition moderner Cellokonzerte sieht, die in seiner Sichtachse wohl auch diejenigen von Alfred Schnittke und Dmitri Schostakowitsch einschließt, denn zuweilen wirkt Nørgårds Konzert wie die logische Fortsetzung dieser beiden gewichtigen Werke.

Mit „Tenebrae – Konzert für Cello und Kammerorchester“ folgt das Konzert des leider 2010 verstorbenen norwegischen Komponisten Arne Nordheim. Auch er studierte einst, wie Per Nørgård, bei dem großen alten Mann der dänischen Neuen Musik: Vagn Holmboe.
Sein Konzert aus dem Jahr 1982 kann mich von den drei hier versammelten Kompositionen am wenigsten beeindrucken. Ich finde das Stück – offen gesagt – sogar ein wenig langweilig und ziemlich vorhersehbar. Zwar müht sich Nordheim, dem Cello und dem begleitenden Kammerensemble neue Klänge zu entlocken und eine dichte Atmosphäre zu schaffen – was ja bei dem Untertitel „Tenebrae“, also „Dunkelheit“ auch angebracht ist -, jedoch wirkt das Ganze leider auch so: bemüht!
Für musikhistorisch Interessierte ist vielleicht interessant, dass Nordheims Stück einst von Mstislav Rostropowitsch uraufgeführt wurde.
In den 1980er-Jahren mag das Werk up to date gewesen sein, doch aus heutiger Sicht ist es nicht sehr vorteilhaft gealtert.

Abschließend können wir mit „Amers“, dem 1992 entstandenen ersten Cellokonzert der finnischen Komponisten Kaija Saariaho das – wie beinahe zu erwarten war – spannendste Stück hören. Ob es auch das beste der drei Konzerte ist, sei dahingestellt. Das spannendste ist es allemal. Kaija Saariaho ist einfach eine Meisterin der Instrumentation und schaffte es bei „Amers“ durch den (zaghaften) Einbezug von Elektronik unwirkliche, ungemein eindringliche Klangwelten zu erzeugen.
Dieses Konzert zeigt erneut, dass wir in Saariaho eine der bedeutendsten Komponistenpersönlichkeiten des 20. und 21. Jahrhunderts vor uns haben, und dass die in den letzten Jahren erschienenen vielen CD-Einspielungen ihrer Werke völlig berechtigt waren. Die Musik Saariahos kann man, glaube ich, nicht genug propagieren. Sie gehört zum Besten, was derzeit weltweit komponiert wird. Aber ihr Stil ist eben auch nichts für jedermann und fordert ein hohes Maß von Konzentration vom Hörer.

Das polnische New Music Orchestra aus Katowice (einst bekannt als Kattowitz) erweist sich als ein sehr hochklassiges Ensemble, dass diesen durchwegs sehr anspruchsvollen Stücken scheinbar mühelos gewachsen ist. Dirigent Szymon Bywalec erledigt seinen Job mit Bravour und enthüllt auf vorbildliche Weise das ganze Potenzial der Partituren. Solist Jakob Kullberg spielt ohne jedweden Makel. Insgesamt muss man den Hut ziehen vor dieser blitzsauberen Interpretation, die in Anbetracht der immens schwierigen Stücke eine beachtliche Leistung ist.
Die CD wurde von Beata Jankowska aufgenommen, einer sehr erfahrenen Tonmeisterin, die für mehrere polnische CD-Labels mit stets sehr guten Leistungen in der Vergangenheit positiv aufgefallen ist. Bei dieser Produktion fehlt es mir persönlich etwas an Transparenz und dem letzten bisschen an akustischer Auflösung. Mir fehlt das Gefühl „in den Raum hineinhören“ zu können. Das macht das Klangbild etwas zweidimensional. Zudem halte ich die Holzbläser (insbesondere beim Saariaho-Konzert) für zu leise aufgenommen. Sie stehen im Gesamtsound deutlich hinter den Streichern und den sehr präsenten Perkussionsinstrumenten zurück. In der Musik spielen sie gleichwohl eine recht bedeutende Rolle, weswegen ich sie mir auch klanglich deutlich klarer gewünscht hätte.

Alles in allem ist das hier eine CD für fortgeschrittene Fans Neuer Musik mit überwiegend sehr guten Kompositionen und einer fabelhaften Interpretation. Die leichten Defizite an der Klangfront sind im Endeffekt kaum der Rede wert, könnten anspruchsvolle HiFi-Fans aber etwas ärgern.

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