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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

K. Penderecki - Hornkonzert "Winterreise" u. a. Orchesterwerke
Warschauer Philharmoniker - A. Wit

(2012)
Naxos

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Krzysztof Penderecki - Hornkonzert "Winterreise" / Partita / De natura sonoris I / Anaklasis / The Awakening of Jacob / Fonogrammi

Pendereckis umstrittenes Hornkonzert in vollendeter Darbietung

von Rainer Aschemeier  •  16. Juni 2012
Katalog-Nr.: 8.572482 / EAN: 747313248278

Einst gehörte der polnische Komponist Krzysztof Penderecki zur aufstrebenden Avantgarde des 20. Jahrhunderts. Mit seinem kompromisslosen Frühstil verschreckte er nicht selten die gutbürgerliche und wohl auch etwas spießige Klassikgemeinde der 1960er-Jahre und danach.
Die neuen Wilden der Neue-Musik-Bewegung hingegen umarmten Pendereckis sperrige Kompositionen von Beginn an – und zwar weltweit! Wen wunderte es da, dass die Musik des Polen Einzug fand in den Soundtrack zu Stanley Kubricks 60er-Jahre-Weltraumfilmklassiker „2001 – A Space Odyssey“ (übrigens zusammen mit Werken von György Ligeti…)!

Diese Zeiten sind indes vorüber. Penderecki gehört längst zum E-Musik-Establishment und hat seinen Stil im Übrigen auch schon vor einigen Jahren um Einiges abgemildert, scheut sich heute auch nicht, neu-tonale Strömungen mitzugehen oder als Dirigent Werke von berühmten Kollegen aufzuführen (so gilt Penderecki etwa als vorzüglicher Schostakowitsch-Dirigent).

Die vorliegende Neuaufnahme von sechs Penderecki-Stücken, die Anfang Juni bei Naxos erschien, erweist sich als sehr interessante Retrospektive, die es erlaubt, das Werk des Polen von 1961 an („Fonogrammi“) bis hin zu einem der neuesten Stücke (Hornkonzert „Winterreise“) aus den Jahren 2008/2009 zu verfolgen.
Die CD ist damit nicht nur optimal geeignet für Penderecki-Einsteiger, sondern auch für all diejenigen, die bereits die vielen anderen, überwiegend sehr sehr guten Penderecki-Eispielungen Antoni Wits im Schrank stehen haben, die seit den 1990er-Jahren in loser Reihenfolge bei Naxos erschienen sind.

Und auch auf dieser Neuerscheinung bestätigt sich das, was eh schon alle wussten: Zurzeit gibt es einfach keinen besseren Penderecki-Interpreten als Antoni Wit, der mit seinen Darbietungen das Werk des berühmten polnischen Komponisten besser auszuloten versteht, als dieser selbst.
Die enthaltenen Aufnahmen stammen aus den Jahren 2008 bis 2010 und sind auch klanglich durchaus gelungen.

Während über die Frühwerke Pendereckis, die mit mal mehr mal weniger populären Exemplaren auf der vorliegenden CD vertreten sind, wohl kaum noch etwas gesagt werden muss (man liebt sie oder man hasst sie…), bedarf das jüngste Stück auf dieser Neuerscheinung womöglich doch einiger Worte.
Das Hornkonzert von 2008/2009 kommt schließlich mit einem Titel daher, der für viele ein „Hingucker“ sein dürfte. Keine Frage: Bei einem Titel wie „Winterreise“ (Penderecki betitelte das Stück in deutsch so, nicht in polnisch oder englisch) liegt eigentlich beinahe ausschließlich ein einziger Gedanke nahe, nämlich der an Schuberts Vertonung von Wilhelm Müllers gleichnamigem Gedichtezyklus.
Doch wer in diese Richtung denkt, sieht sich getäuscht: Laut Booklet-Info ist der Titel als Anspielung auf gewisse Klangfarben und Tonmalereien im Verlauf des Stücks gedacht. So werden im Verlauf des Werks etwa Windgeräusche und andere winterliche Ungemütlichkeiten imitiert.
Das Werk ist ein Affront für diejenigen, die Pendereckis Bedeutung als Komponist in dessen Frühwerk sehen. Für diese Leute ist das Stück gleichzeitig eine Bestätigung dafür, dass man heutzutage woanders suchen muss, wenn man echt „Neue“ Musik hören will.

In der Tat: Pendereckis „Winterreise“ ist eine überwiegend neoromantische Schwelgerei im Orchester- und Hornklang, die zuweilen Erinnerungen an die Musik von Richard Strauss aufkommen lässt.
Ist das noch Penderecki?
Einerseits ja, natürlich, denn das Konzert stammt schließlich aus seiner Feder. Andererseits… ist das Stück dann eine Kapitualation des Avantgardisten vor dem Reaktionären?

Diese spannende Frage mag ein jeder selbst erkunden. Die vorliegende CD bietet jedenfalls einen willkommenen Anlass dazu und lässt angesichts überragender Aufführungsqualität und äußerst ansprechenden Sounds keinen Zweifel daran, dass dies hier die Einspielung der Wahl ist. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass die Einspielung der Sinfonietta Cracovia unter der Leitung des Komponisten auf Chanell Classics dieser grandiosen Darbietung des Philharmonischen Orchesters aus Warschau unter der Stabführung Antoni Wits das Wasser reichen kann.
Dafür ist es schon zu oft hörbar geworden, dass Krzysztof Penderecki selbst einfach nicht der optimale Interpret für seine eigenen Werke ist.

((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise von der Firma Naxos zur Verfügung gestellt.))

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