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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Il vero orfeo
Friederike Heumann u. div. Solisten

(2011)
ACCENT / note 1

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Il vero orfeo - Sonaten für Viola da Gamba von und inspiriert von Arcangelo Corelli

Leicht konfus unterwegs auf den Spuren Corellis

von Rainer Aschemeier  •  2. Februar 2012
Katalog-Nr.: ACC 24233 / EAN: 4015023242333

Eins mal vorweg: Ich bin mir darüber im Klaren, dass diese Neuveröffentlichung des traditionsreichen belgischen Labels „ACCENT“, das vor allem auf qualitätvolle Veröffentlichungen im Bereich der Alten Musik spezialisiert ist, in der Presse höchstwahrscheinlich wieder hohe und höchste Bewertungen einfahren wird. Und so mache ich mich mit dieser Besprechung wahrscheinlich angreifbar, weil ich vorhabe, die hier vorgestellte Neuerscheinung als eher „mittelmäßig“ einzustufen. Aber ich vermeine, diese Beurteilung auch begründen zu können.

Doch beginnen wir mal ganz von vorn: Noch in den letzten Tagen des alten Jahres 2011 erschien die neue CD der deutschen Gambistin Friederike Heumann unter dem Titel „Il vero orfeo“. Schon das gesamte „Konzept“ der Scheibe ist etwas undurchsichtig. Es geht um Corelli, seinen Einfluss auf die „Musikszene“ seiner Zeit und darum, wie andere Musiker und Komponisten des Barock offenbar versuchten, Corellis Stil gezielt nachzuahmen. So viel ist klar. Doch Heumann und ihre musikalischen Mitstreiter gehen noch etwas weiter. Sie selbst versuchen, durch gezielte Nachahmungen der „originalen“, von Corelli nur selten ausnotierten musikalischen Verzierungen dessen Stücke und andere von den Barockkomponisten Johann Schenck und Georg Friedrich Händel neu zu interpretieren.
So habe ich das zumindest verstanden, denn weder Kurzinfos in der CD, noch der sprachlich sehr unschön geschriebene, und zudem für „Ottonormalklassikhörer“ ohne größere musikalische Vorbildung sicherlich nur schwer verständliche Booklet-Text geben eigentlich näheren Aufschluss über den Zielgedanken, der sich hinter dieser CD-Neuproduktion verbirgt.

Auch das Hören der Musik hilft (mir persönlich) in der Hinsicht nicht viel weiter. Sicher, es ist interessant zu hören, wie Händel sich in seiner Sonate g-Moll für viola da gamba an Corelli annähert, doch mal ehrlich: Ist das so etwas Besonderes?
Gerade im Barock lebt ja der alte Gedanke vom improvisierenden Musiker noch einmal richtig auf, sodass es reichlich Beispiele der Art gibt, dass ein Komponist mal klingen möchte, wie ein anderer oder dessen Werke in andere Besetzungsformen umgearbeitet hat. Am bekanntesten in dieser Hinsicht dürften wohl Johann Sebastian Bachs Transkriptionen von Vivaldi-Konzerten sein.

Aber was soll’s!? Wenn die Musik und die Interpretation auf der CD stimmen, dann kann man solche Konzeptschwächen ganz schnell und einfach vergessen und zum Wesentlichen übergehen: Zum Musikgenuss!
In dieser Sparte sieht die Sache dann auch schon wieder sehr viel besser aus, wenngleich auch hier nicht ideal. Mit sehr klar und trennscharf aufgenommenem Sound kommt diese CD einher, sodass dem HiFi-Freund zunächst ganz warm ums Herz werden möchte. Leider geht der sehr „digital“ klingende Sound aber ohne klangliche „Wärme“ einher, sodass hier die fabelhafte Auflösung eben doch nicht alles ist. Der gesamte klangliche Eindruck wirkt eher kühl und kann mich somit nicht vollauf überzeugen.
Gleiches gilt für den musikalischen Vortrag, und hier kommen zwei Probleme zusammen: Corelli schrieb die hier eingespielten Sonaten ja für Violine, und Friederike Heumann trägt nun Gamben-Bearbeitungen der Stücke vor, die zwar fast ausschließlich aus Corellis Zeit stammen, aber nur zu offensichtlich aufzeigen, warum diese schon damals als „Notlösungen“ gehandelt wurden (wie übrigens auch der Booklet-Text unumwunden zugibt).
Manche Stücke, die eine Violine als „Ausgangsbedingung“ haben, vertragen es ja sehr gut, wenn man sie tonal tiefer setzt; Corellis Sonaten, die sonst gerade von dem hellen Glanz der Violinstimme leben, bekommt das aber nicht so gut. Sie wirken plötzlich eher matt und etwas schwerfällig.
Das zweite Problem: Die Musiker spielen allesamt sehr gut, aber ihnen gelingt es nicht, eine echte „Gruppe“ herzustellen. Oft hat man den Eindruck, dass hier ganz fabelhafte Einzelmusiker zusammensitzen und dasselbe Stück spielen, nicht aber, dass sie es zusammen musizieren und wirklich als Ensemble darbieten, dessen Aufgabe es ja eigentlich wäre, so zu agieren, als wäre nur Einer am Werk.

Fazit: Gute Absichten zwar gut, aber in diesem Fall nur gut umgesetzt. So lautet das kurze, knappe Credo dieser CD.

((Das Hörexemplar der CD für diese Besprechung wurde uns freundlicherweise vom Vertrieb des Labels, der Firma „note 1“, zur Verfügung gestellt.))

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