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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

I. Pizzetti - Das Klavierwerk
G. Simonacci

(2011)
Brilliant classics / in-akustik

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Ildebrando Pizzetti — Das Klavierwerk (Gesamteinspielung)

Wertvolle Gesamtedition zum Budget-Preis

von Rainer Aschemeier  •  19. Oktober 2011
Katalog-Nr.: 9202 / EAN: 5029365920223

Erst vor wenigen Wochen hatte ich das ausgesprochene Vergnügen, mich mit einer Wiederveröffentlichung einer Aufnahme der Streichquartette des italienischen Komponisten Ildebrando Pizzetti zu beschäftigen (s. hier). Nun legt das Label Brilliant Classics eine Neuaufnahme von Pizzettis Klavierwerk vor. Die Doppel-CD zum erfreulich günstigen Preis von etwa acht Euro ist die erste Gesamtaufnahme dieser Klavierstücke überhaupt und enthält somit auch einige bislang noch nie auf Tonträger verfügbar gewesene Weltersteinspielungen.

Interpret ist Giancarlo Simonacci, der bereits für seine Aufnahmen mit Werken von John Cage und Erik Satie auf dem Brilliant-Label viel Beifall von der Musikkritik erhalten hatte. Mit Pizzetti widmet er sich nun einem Landsmann, was sich in besonders hingebungsvollen Interpretationen niederschlägt.
Die Edition ist chronologisch angelegt und beginnt mit dem frühesten bekannten Klavierstück, das Pizzetti schrieb, der „Romanza senza parole“ aus dem Jahr 1899, einer von den erwähnten Weltersteinspielungen auf der CD. Es ist hochinteressant anzuhören, wie sich der Stil des Komponisten über die Jahre, bis hin zu dem Variationsstück „canti di ricordanza“ aus dem Jahr 1943 wandelt und entwickelt. Pizzetti beginnt sein Frühwerk — für mich durchaus überraschend — in den Fußstapfen Schumanns. Was sich etwas lapidar liest und darauf schließen lassen könnte, dass das pianistische Frühwerk vor allem eine Imitation des Schumann-Stils sein würde, ist in Wahrheit eine sensible Weiterentwicklung des spätromantischen Klangs, den Pizzetti bekanntlich (trotz einer späteren stärkeren Hinwendung zu gemäßigt modernen Klängen) bis zum Ende seiner Laufbahn nie völlig ablegte. Irgendwann zwischen 1900 und 1911 (das Booklet lässt uns über nähere Details zum Enstehungsdatum der meisten Kompositionen auf der CD leider weitgehend im Unklaren, sodass nur der Griff zu besseren Musiklexika Abhilfe schafft) wird Pizettis Musiksprache dann harmonisch gewagter, diverser, geht dann und wann auch bis an den Rand der Tonalität.

Mit Wirkung der Klaviersonate aus dem Jahr 1942 ist Pizzetti definitiv in der Moderne angekommen, obwohl auch in diesem essentiell expressionistischen Stück noch immer Anklänge an den französischen Impressionismus durchschimmern, dessen Einfluss sich durch Pizzettis gesamtes Schaffen zieht.

Giancarli Simonacci ist der ideale Interpret für diese Stücke und schafft es bemerkenswert gut, den musikalischen Wandel in der Kompositionsweise des Italieners wiederzugeben, sodass uns diese Gesamteinspielung mit ihrer chronologischen Abfolge in wunderbarer Weise die ganze musikalische Welt Ildebrando Pizzettis vor Augen führt, weswegen die Kollektion auch für Einsteiger in das Werk des Komponisten kaum besser sein könnte.
Die CD wurde in der Konzerthalle des Klavierherstellers Fazioli im norditalienischen Sacile (bei Treviso) eingespielt, weswegen ich annehme, dass Simonacci auch auf einem Fazioli-Flügel musiziert. Dieses Instrument klingt in der eher trocken und nüchtern aufgezeichneten Aufnahme dieser Werke bemerkenswert gut und charakterstark. Somit haben wir hier nicht nur einen großartigen Interpreten dieser Musik, sondern auch das in jeder Hinsicht passende Instrument für diese Musik, die in ganz eigenartiger und individueller Art und Weise zwischen den Polen von spätromantischer Fülle und postmoderner Sprödheit existiert. Die Aufnahmetechnik ist gut genug, um diese CD auch aus dieser Warte guten Gewissens weiterempfehlen zu können.

Fazit: Gelungene und wertvolle Gesamteinspielung des Klavierwerks von Ildebrando Pizzetti, dem noch immer am wenigsten gewürdigten Komponisten der italienischen „Generation der 1880er“.

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