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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

G. Enescu - Cellosonaten op. 26
A. Dmitriev (Cello) & A. Paley (Klavier)

(2012)
Saphir productions / Vertrieb: Naxos

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George Enescu - Cellosonaten op. 26

Mitreißend! Enescu live und ungeschönt.

von Rainer Aschemeier  •  13. November 2012
Katalog-Nr.: LVC 1170 / EAN: 3760028691709

Respekt! So eine ehrliche, ungeschönte Liveaufnahme wie diese neue vom französischen Label Saphir hört man heutzutage nicht mehr oft. Dabei soll das keine Abklassifizierung sein. Ganz im Gegenteil: Die Darbietungen von George Enescus äußerst selten gehörten Cellosonaten gerät unter den Händen von Alexandre Dmitriev (Cello) und Alexandre Paley (Klavier) zu einem mitreißenden Ereignis – auch, wenn hier nicht alles zu 110% passt.

Sowohl Paley als auch Dmitriev unterliefen bei dem hier aufgezeichneten Konzert vom Festival de Montpellier durchaus einige spieltechnische Fauxpas. Da gerät die Cellointonation schon mal ins Wanken und auch beim Klavier wird mal saftig daneben gegriffen – doch alles in allem ist das eine Aufnahme, der man trotzdem eine hohe Qualität bescheinigen muss. Dmitriev und Paley treffen nicht nur den idealen „Enescu-Tonfall“, sondern spielen hier zudem, als ginge es um ihr Leben. Es ist ein wahrer Blaulichteinsatz an der Grenze der spieltechnischen Belastbarkeit der Beteiligten, doch er zahlt sich aus.
In meinen Ohren ist diese Produktion jedenfalls spannender als jedes Krimi-Hörbuch. Nicht zuletzt allerdings auch wegen des selten zu hörenden Repertoires, das einmal mehr zeigt, welch grandioser Komponist George Enescu war.

Der Rumäne, der im ausgehenden 19. Jahrhundert vor allem als Violinvirtuose in Frankreich von sich reden machte und später dann das Wunderkind Yehudi Menuhin schulte, gehört nach meinem Dafürhalten zu den am meisten unterschätzten Komponisten überhaupt.
Auch an den Cellosonaten op. 26 zeigt sich, mit was für einem Kaliber wir es hier zu tun haben: 1898 entstand die erste Sonate op. 26,1. Sie ist – lange bevor der Begriff en vogue wurde – eine neoklassizistische Auseinandersetzung mit der Musikvergangenheit, wobei Enescu hier erneut seine außerordentliche kontrapunktische Meisterschaft unter Beweis stellte. Op. 26,2 enstand hingegen erst 37 Jahre später. Sie zeigt den reifen, wahrlich meisterhaften Enescu in seinem höchst reizvollen, reduzierten Spätstil, der inzwischen hart am Expressionismus kratzte.
Das ist der beste Enescu, den es gibt, der Enescu, von dem wir auch die fabelhafte Kammersymphonie kennen (Rezension zu diesem großartigen Werk siehe hier). Grandios!

Der Klang der CD ist erfreulich hochqualitativ vom französischen Rundfunk aufgezeichnet worden, ist sehr räumlich und lässt das Auditorium (nicht zuletzt auch wegen einiger livetypischer Nieser, Schnaufer und Huster) geradezu visuell vor den Augen erstehen. Erwähnenswert ist zudem, dass die Aufnahme nur minimal geschnitten wurde. Das heißt: Applaus vor und nach den Werken sowie das typische „Rascheln“ im Publikum während der Satzpausen wurde hier mit auf die CD gebannt. Das vermittelt den Charme einer Liveübertragung im Rundfunk – und exakt das war ja diese Aufnahme auch, bevor Saphir productions sie auf CD herausgebracht hat.

Fazit: Ein sehr spannender Beitrag zur Enescu-Diskographie, der spieltechnisch nicht optimal ist, aber dank mitreißender Liveatmosphäre trotz einiger Unzulänglichkeiten überzeugt. Gleichwohl muss die Referenzeinspielung dieser herrlichen Werke für Cello und Klavier erst noch geleistet werden.

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