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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Weill - Ibert - Berg
Baton Rouge Symphony Chamber Players - T. Muffitt

(2012)
Sono Luminus / Vertrieb: Naxos

Kurt Weill - Jaques Ibert - Alban Berg: Konzerte für Soloinstrument und Bläser aus den 1920er-Jahren

Licht und Schatten in erstaunlicher Diskrepanz

von Rainer Aschemeier  •  11. November 2012
Katalog-Nr.: DSL-92161 / EAN: 053479216120

Eins vorweg: Die Neuerscheinung aus dem Hause Sono Luminus, die ich hier besprechen möchte, ist eine ungewöhnliche CD. Ungewöhnlich deshalb, weil sie einen mindestens so positiven wie negativen Eindruck hinterlässt. Leider steht der negative Eindruck am Beginn…

Erst vor wenigen Tagen konnte ich erfreut eine wahrlich grandiose Neueinspielung von Kurt Weills selten gehörtem Violinkonzert vorstellen, das Naxos in seiner Reihe „Wind Band Classics“ herausgebracht hatte (Besprechung dazu siehe hier). Dass es gegen eine so hervorragende Einspielung jedweder Konkurrent schwer haben würde, war zu erwarten. Dass etwaige Mitbewerber in Sachen Weill-Konzert jedoch so schwachbrüstig ausfallen würden, wie die Aufnahme auf dieser neuen Sono Luminus-CD war doch eine herbe Überraschung.

Ein sich redlich mühender, aber heillos überforderter Violinsolist quält sich hier durch Weills Opus 12 und wird dabei begleitet von den Baton Rouge Symphony Chamber Players. Auch sie finden bei dieser Aufnahme schlicht gar nicht zueinander, spielen eher „nebeneinander“ als miteinander, dies zudem unterstützt durch eine unausgewogene Tontechnik, die einzelne Instrumente wie zum Beispiel das Horn über Gebühr betont, während andere (ich nenne mal pauschal alle Holzbläser) vergleichsweise sehr benachteiligt wirken.

Eigentlich möchte man nach dieser Eröffnung gar nicht so recht weiterhören, aber man tut gut daran, es doch zu tun. Was folgt, ist nämlich erstaunlicherweise richtig gut: Bei dem bemerkenswert expressiven Cellokonzert von Jaques Ibert spielen die Chamber players des Baton Rouge Symphony Orchestras aus Louisiana nämlich plötzlich wie ein echtes Ensemble, lassen gar einige Spritzigkeit und Spaß an der Sache erkennen. Dank eines hier auch sehr versierten Solisten (George Work) ist die Aufnahme dieses ebenfalls sehr selten zu hörenden Konzerts eine sehr unterhaltsame und wirklich gut interpretierte Angelegenheit. Hier plötzlich stimmt auch die Tontechnik: Alles wirkt gut balanciert, sehr transparent, manchmal etwas hyperbrillant, vor allem aber ausgewogen. Die Abnahme der Instrumente wirkt zuweilen etwas „nah“, was oft damit zu tun hat, dass der Aufnahmeraum akustisch nicht optimal ist. Doch das ist nur ein kleiner Makel an einer in diesem Fall wirklich schön gestalteten Klanglichkeit des Ibert-Konzerts, das im Übrigen ein besonders schönes Beispiel für die französische Moderne der 1920er-Jahre ist. Sehr zu empfehlen!

Der Höhepunkt dieser Einspielung kommt zuletzt und zwar in Form des erstklassigen Kammerkonzerts für Klavier, Violine und 13 Blasinstrumente von Alban Berg aus dem Jahr 1923. Es ist nicht nur der kompositorische Höhepunkt auf dieser CD – ein herausragend verfasstes, höchst originelles und zu jeder Zeit interessantes Konzert -, sondern auch der interpretatorische. Die Baton Rouge Symphony Chamber Players wirken hier tatsächlich wie eine verschworene Gemeinschaft, und selbst bei den schwierig zu realisierenden rhythmischen Verschiebungen, die Berg in sein Stück eingebaut hat, machen sie eine sehr gute Figur. Klaviersolist Dmitri Shteinberg hinterlässt ebenfalls einen guten Eindruck. Manchmal, bei den schnellen Läufen, geht ihm etwas die Präzision durch die Lappen, doch gleicht er dies durch ebenso empathische wie emphatische Qualitäten seines Vortrags aus. Er trifft hier einfach den „Ton“, den „Sound“, den man sich für die Musik Alban Bergs wünscht. Auch dem Violinsolisten des eingangs bemängelten Weill-Unfalls begegnen wir hier wieder. Doch, oh Wunder!, hier spielt er um Einiges überzeugender und gliedert sich in das rundum zufriedenstellende Umfeld gleichrangig ein.

Fazit: Nun sagen Sie mir bitte mal, wie man eine solche CD abschließend bewerten soll? Gäbe es nur die Einspielung des Weill-Konzerts auf dieser Scheibe, würde ich glatt eine Ein-Punkte-Wertung zücken: Mangelhaft! Doch bewegen sich die Ibert- und Berg-Einspielungen auf deutlich höherem Niveau und wären mir mindestens eine Vier-Punkte-Wertung wert, demnach die zweitbeste Bewertung, die es bei uns gibt.

Zum allerersten Mal in der Geschichte von www.the-listener.de unterlasse ich daher die Punktewertung für diese CD und bitte alle Interessenten zum Probehören in unser webradio.

Für Besitzer eines Blu-ray-Players noch ein Hinweis: Diese CD kommt mit einer zusätzlichen Blu-ray-Audio-Disc, die dasselbe musikalische Material im Stereomix sowie in einem 5.1- und einem 7.1-Surround-Mix enthält. Die Auflösung von 192kHz bei den beiden erstgenannten Versionen ist nicht von schlechten Eltern und verspricht erstklassigen Hörgenuss. Doch sind Zahlen nur die halbe Wahrheit. Beim unausgewogen abgemischten Weill-Konzert werden sie kaum etwas helfen…

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