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The Listener

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Die Besondere CD: Mieczysław Weinberg - Sinfonie Nr. 12, Balletsuite "Der goldene Schlüssel"

Höreindrücke dies- und jenseits des "großen Teichs"

von Rainer Aschemeier  •  11. Februar 2014

Während der – für seine oft launischen Kommentare bekannte – US-Starkritiker David Hurwirtz auf classicstoday.com das an dieser Stelle vorzustellende Album süffisant als „CD from Hell“ einstuft, kann ich mich im Gegenzug nur wundern, was David Hurwitz da wohl gehört haben mag…

Fassen wir aber Hurwitz‘ Review kurz zusammen: Der niemals um ein Totschlagargument verlegene Rezensent bemängelt in seinem Text nicht etwa die Interpretation des hier (wie bereits oft in Naxos‘ bislang durchweg hervorragenden Weinberg-Zyklus) zum Einsatz kommenden St. Petersburger Staatssinfonieorchesters unter Leitung von Vladimir Lande, sondern er bemängelt nicht weniger als die kompositorische Leistung von Mieczysław Weinberg höchstselbst. Dessen hier vorgestellte zwölfte Sinfonie vermeint er als „dreary“, also als farblos bzw. langweilig enttarnen zu können. Dies sei eine besondere Enttäuschung angesichts der Tatsache, dass Weinberg dieses Stück im Gedenken an den großen Kollegen Dmitri Schostakowitsch verfasst habe.

Man will kein Schelm sein, aber man fragt sich beim Selberhören dieser CD, ob nicht David Hurwitz an dem Tag, an dem er seine Rezension über dieses Album schrieb, vielleicht seinen „dreary day“ hatte.
Was ich persönlich hier höre, ist nicht weniger als wieder einmal eine faszinierende, stärker als alle anderen Sinfonien Weinbergs, die ich bislang gehört habe, fremde Einflüsse aufgreifende Sinfonie dieses großen russisch-polnischen Komponisten. Besonders begeisternd finde ich die vielen versteckten Querbezüge zu den letzten Kompositionen Dmitri Schostakowitschs, etwa in der Xylophon-Eröffnung des letzten Satzes von Weinbergs Zwölfter, die unverkennbar und, wie ich finde, höchst originell auf Schostakowitschs letzte Sinfonie hinweist, in der Perkussionsinstrumente und Xylophone/Metallophone eine bedeutende Rolle spielen. Des Weiteren scheinen mir in der gesamten Sinfonie, vor allem aber auch im letzten Satz, zahlreiche Anspielungen auf Schostakowitschs letztes Werk, die Bratschensonate, eingeflossen zu sein.

Darüber hinaus hören wir in Weinbergs Zwölfter auch Anklänge an Strawinsky und Prokoffjew, ganz so, als wollte Weinberg in diesem Werk eine Art Traditionslinie der russischen Komponistenschule im 20. Jahrhundert offenlegen.

Ich halte dieses Werk nicht nur deshalb, sondern auch einfach aus ganz genussorientierten Gründen (diese Sinfonie ist sicherlich die bislang „zugänglichste“ aus Mieczysław Weinbergs oft sperrigem Œuvre) für eines der unumwunden schönsten und spannendsten Stücke aus dem bisher zu hörenden Sinfonienkanon Weinbergs.

Auf dieser CD erfährt die Sinfonie zudem eine Referenzklasse-Interpretation. Das St. Petersburger Staatssinfonieorchester interpretiert so qualitätvoll wie bislang in der losen Reihe seiner Weinberg-Einspielungen noch nicht zu hören. Vladimir Lande erweist sich erneut als vorzüglicher Dirigent, der vor keiner Phrasierungshürde kapituliert, sondern erneut eine enorm fein ausgearbeitete Lesart an den Tag legt.
Der wie immer vorzügliche, absolut makellose Sound tut ein Übriges hinzu, und so kann ich gar nicht anders, als dieses Album zur „besonderen CD“ zu erklären, selbst, wenn in diesem Monat Februar noch manches Qualitätvolle folgen mag.
———CD-Details:

Mieczysław Weinberg
Sinfonie Nr. 12 „In memoriam D. Schostakowitsch“
Balletsuite „Der goldene Schlüssel“
St. Petersburger Staatssinfonieorchester
Vladimir Lande

Label und Vertrieb: Naxos
Katalog-Nr.: 8.573085
EAN: 747313308576

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