Die Besondere CD: Mecklenburg - 450 Jahre Kammermusik

Einfach eine tolle Idee!

von Rainer Aschemeier  •  15. Oktober 2013
Katalog-Nr.: Gramola 99015 / EAN: 9003643990159

Das ist mal eine tolle Idee! Auf dieser wunderschönen Debüt-CD des Schweriner Demmler-Quartetts (benannt nach einem berühmten Baumeister, nicht etwa nach einem Musiker oder Komponisten) wird mal eine Region in den Mittelpunkt gestellt und nicht die Namen großer oder weniger großer Komponisten.

Vor sage und schreibe 450 Jahren wurde in Schwerin die Mecklenburgische Staatskapelle gegründet und ist damit eines der ältesten Orchester im deutschsprachigen Raum. Das im Gegensatz dazu sehr junge Demmler-Quartett (2012 gegründet) hat sich zu diesem Jubiläum eine besonders schöne Geburtstagsgabe ausgedacht: 450 Jahre Kammermusik von Komponisten, die in Mecklenburg wirkten, hat es ausgesucht, um eine der reizvollsten Streichquartett-CDs des laufenden Jahres einzuspielen.

Dabei ist es ganz erstaunlich, welche Werke das Demmler-Quartett da ausgegraben hat. Sie reichen von einer sehr schönen vierstimmigen Studie des heute so gut wie unbekannten Komponisten Thomas Mencken, dessen Musik an der Schwelle zwischen Renaissance und Frühbarock steht.
Es folgt die Weltersteinspielung des Streichquartetts in A-Dur Op. 2,1 des gegenwärtig ganz zurecht immer beliebter werdenden böhmischen Komponisten Antonio Rosetti, der zurzeit vor allem durch seine wunderschönen Hornkonzerte berühmt ist. Dass dieser Rosetti eine der Kapazitäten der Klassik war (wobei wohl lediglich der Umstand, dass Rosetti in Ludwigslust wirkte und nicht etwa in Mannheim oder Wien dazu führte, dass er heute nicht bekannter ist), zeigt bereits das hier zu hörende herrlich frische und ideenreiche Streichquartett des seinerzeit noch jugendlichen Komponisten.

Es geht weiter mit einem „Kunstgriff“, nämlich einer Streichquartett-Transkription. Hierbei wurde Wagners Kunstlied „im Treibhaus“ aus den „Wesendonck-Liedern“ von Reinhard Lippert auf sehr überzeugende (vielleicht etwas zu moderne Weise) für Streichquartett gesetzt, was sehr gut funktioniert.
Mit dem Streichquartett in C-Dur von Friedrich von Flotow – ähnlich wie Wagner eher für sein Opernschaffen bekannt – folgt eine weitere Entdeckung, die man kaum für möglich gehalten hätte. Ein Streichquartett von Flotow! Sachen gibt’s! Allerdings ist der Kuriositätencharakter hier größer als beim Rest des Programms, denn musikalisch gibt Flotows Streichquartett nicht so viel her.
Abschließend hören wir die 1976 entstandene Fantasie für Streichquartett des Schweriner Komponisten Jörg Ulrich Krah. Er ist – so ein Zufall! – übrigens auch der Cellist des Demmler-Quartetts, sodass wir hier den eher seltenen Fall haben, dass ein Komponist sein eigenes Werk mit interpretiert.
Krahs Fantasie erinnert an die Musik seines Lehrers Hans Werner Henze, lässt aber auch Erinnerungen an den Stil Wolfgang Rihms aufkommen. Wir haben hier eine nur teilweise atonale, mit vielen Glissandi arbeitende Moderne, die mit mindestens noch einem Bein erkennbar in der Spätromantik bzw. im Expressionismus geerdet ist. Das ist durchaus reiz- und gehaltvolle Musik, die sich im vorliegenden Programm überraschend gut eingliedert und auch sonst eine gute Figur macht.

Das gesamte Programm ist so überzeugend geraten, dass der NDR dieser tollen Idee des Demmler-Quartetts eine Sondersendung gewidmet hat. Auch wenn es nett gewesen wäre, diese Sondersendung auf einer Bonus-CD oder als mp3-Beigabe der enthaltenen Einzel-CD serviert zu bekommen (eine Chance, die das österreichische Gramola-Label leider nicht wahrgenommen hat), kann man mit dieser Veröffentlichung vollauf zufrieden sein.

Fazit: Eine super Idee, die man meinetwegen gern auf alle Bundesländer anwenden könnte – zumal mit einem so engagierten und hochklassigen Quartettensemble als ausführender Kraft!

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