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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Eindrücke vom Brüsseler Offscreen-Festival III (1. Teil)

Star guest: Jess Franco

von Frank Castenholz  •  20. März 2010

Die Reize von Jess Francos filmischem Schaffen haben sich mir, obgleich vermeintlich offenkundig (Klischee: sex and violence), erst nach längerer Reflektionsphase erschlossen. Erwartet hatte ich wohl Filme, die in verlässlicher Genretradition süffig, sexy, spannend und rasant Schauwerte liefern. Zu sehen bekam ich (nehmen wir als Beispiel mal meinen einst ersten Franco-Kontakt „Female Vampire“) langatmige Monologe, die sich mit ausschweifenden Kamerastreifzügen über den Körper von Lina Romay abwechselten – oder auch zeitgleich Filmzeit okkupierten. Und das nicht sonderlich technisch avanciert.

Jess Franco mit seiner Muse Lina Romay beim Q&A vor der Vorführung von "Ilsa - The Wicked Warden"

Spätestens nach Sicht der drei Filme, die ich nun kennenlernen durfte, muss ich aber öffentlich revidieren, was ich früher mal heimlich dachte. Franco ist top – und ca. 190 weitere Filme harren nach und nach der Sichtung.

Succubus (a.k.a. Necronomicon; 1967)

„Janine Reynaud stars as a nightclub stripper who free-floats through a spectral 60’s landscape littered with dream-figures, dancing midgets and bizarre S&M games“, sagt der Promo-Text. Eine bessere Inhaltsangabe des Werks, das Fritz Lang zu recht als “a beautiful piece of cinema“ bezeichnete, kann ich leider nicht liefern, denn eine lineare Geschichte gibt es nicht. Franco inszeniert hier auf der Höhe seiner Kunst einen traumgleichen Bilderreigen, der voll von surrealen, erotisch aufgeladenen Motiven höchster Ästhetik (Kostüme: Karl Lagerfeld!) und mit philosophischen Anspielungen angereicherter Dialoge ist, aber – wir befinden uns ja noch in den unschuldigen 1960s – nie wirklich explizit oder grob gerät. Die Referenz zu späteren Arbeiten von David Lynch drängt sich auf. Ein Film, an dem man sich nicht satt sehen kann und der wiederholtes Anschauen sicherlich belohnt.

La fille au sex brillante (a.k.a. Shining Sex; 1977)

Auf den ersten Blick am anderen Ende der Franco’schen Güteskala befindet sich „Shining Sex“, eine schnell und schmutzig heruntergekurbelte No budget-Sci-Fi-Fantasie: Eine Erotiktänzerin (Francos Muse Lina Romay) wird von zwei Außerirdischen entführt, die ihr beim Geschlechtsverkehr eine toxische Flüssigkeit injizieren, mit der sie künftig die Gegner der Aliens zur Strecke bringen soll. Vor den Zeiten von AIDS natürlich ein prophetisches Werk. Mit Ausstattung und Special Effects hält sich Franco hier nicht groß auf, vielmehr nutzt er den Plot, um möglichst ausführlich und – hautnah an der Grenze zum Pornographischen – detailreich den Körper von Lina Romay zu zelebrieren. Trotz aller Deutlichkeit in der Darstellung des Sexuellen scheint mir dieser Film doch ein gutes Beispiel dafür zu sein, dass Franco ein beispielloser Erotomane ist, aber kein leidenschaftlicher (oder jedenfalls überzeugender) Pornograph. Denn sobald es zur geschlechtlichen Interaktion kommt, bleibt die Inszenierung doch recht fahrig, uninspiriert und desinteressiert, während die Liebesaffäre der Kamera mit Lina Romay noch in den obszönsten Zooms authentische, unverstellte Obsession vermittelt. Wie oft bei Franco finden sich Längen, manches ist unfreiwillig komisch, und Spannung wird nicht mal suggeriert, belohnt wird der Zuschauer aber mit einigen atmosphärischen, poetischen Einstellungen, einer avantgardistischen Geräuschuntermalung und einer unverwechselbaren Bildsprache, die mir Franco selbst in seinen schwächsten Momenten noch sympathisch macht.

Ilsa – The Wicked Warden (a.k.a. Greta – Haus ohne Männer; 1977)

Ein inoffizielles Sequel der berüchtigten Ilsa-Reihe, zwar angekündigt als „most shocking and outrageous of Franco’s women in prison films“, aber letztlich – ungeachtet der überraschend blutigen Schlusspointe – weitaus harmloser als dessen erster Teil (siehe Besprechung hier). Weder so eigenwillig wie „Shining Sex“ noch so kunstvoll wie „Succubus“, handelt es sich hier um ein relativ formatgetreues, durchaus unterhaltsames und kurzweiliges Genre-Produkt, das insbesondere durch die charismatische Dyanne Thorne (Ilsa) und ihre widerspenstige Gespielin Lina Romay an Reiz gewinnt.

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